Wir alle kommen immer mal wieder in Situationen, in denen wir mit etwas in Resonanz gehen, was uns herausfordert, ängstigt oder einfach nur stark berührt. Mal sind es bestimmte Menschen, Situationen, Probleme, Krisen oder Konflikte im Job. Hin und wieder kostet es uns viel Energie, in diesen Situationen handlungsfähig und zuversichtlich zu bleiben. Wenn uns das nicht gelingt, beginnen wir an diesem Erleben zu leiden. Vielleicht schimpfen wir auf die Umstände, die Anderen, das Leben oder beschuldigen uns sogar selbst für all das. Wir gehen dann in den Widerstand und kämpfen gegen das, was offensichtliche Wirklichkeit ist. Die Suche nach einer Lösung, das Bedürfnis nach Überwindung der Krise und der Wunsch es endlich in den Griff bekommen zu wollen, treiben uns zu Höchstleistungen an. Manchmal gelingt uns das sogar für eine Weile, doch das, was in uns selbst in Resonanz gegangen ist, wird immer noch nicht bewusst gesehen und gewürdigt. Wenn wir wirkliche Gelassenheit und Frieden finden wollen, lohnt es sich, das Phänomen der Resonanz zu erkunden und in (Selbst-) Erfahrung damit zu gehen.
Resonanz bedeutet ursprünglich „widerhallen“, doch von wo geht diese Bewegung aus? Was ist dieser „Hall“, den wir unbewusst aussenden und der von der Außenwelt erwidert wird? Thomas Geßner nennt diesen Widerhall treffend „Echo“*. Wenn wir weiter außerhalb von uns nach der Lösung suchen, entfernen wir uns nur immer weiter vom Auslöser dieses Echos. Das Problem sind nicht die anderen Menschen, die Situationen, die Gegebenheiten, die Veränderungen oder unsere Körpersymptome. Das Problem ist eher, dass wir denken, diese Herausforderungen würden uns willkürlich ereilen, wären also etwas wie lästige Zufälle, Böswilligkeiten des Lebens oder sogar Strafen Gottes. Wir erkennen meist nicht, dass uns diese Wahrnehmungen von fehlender Sicherheit in die alten Ur-Muster des Überlebens wie Kampf, Flucht oder Lähmung, mit all ihren Konsequenzen für Beziehung und Körper versetzen.
Was wäre, wenn Sie für einen Moment aufhören den Spiegel zu bearbeiten? Was wäre, wenn Sie innehalten und bewusst wahrnehmen, worauf dieser Spiegel hinweist? Was wäre, wenn Sie den Auslöser der belastenden Resonanz (des Echos*) in sich sehen könnten? Resonanz wäre dann unser wohlwollender Lehrer, der uns freistellt was und wie schnell wir lernen. Resonanz lässt uns liebevoll frei damit. Wir können hinschauen und wahrnehmen, um Hier und Jetzt unser freies Selbst zu entwickeln oder wir können theoretisches Wissen sammeln und selber dieser Lehrer zu sein, um andere und das Leben zu belehren. Das ist die oft unbewusste Anmaßung unseres Egos. Der Resonanz ist das gleichgültig, aber der letztere Weg führt weg von uns selbst und wir werden wahrscheinlich irgendwann müde und verbittert unter der Wucht nachfolgender Echos.
In meiner praktischen Arbeit mit Aufstellungen begegnet mir immer wieder ein Phänomen, welches Klarheit und Zuversicht in dieses Thema bringt. Das Leiden an Resonanz ist kein Zufall, keine Forderung an den denkenden Verstand etwas zu tun und schon gar keine Strafe von irgendwem. Es ist eher eine eindringliche Einladung den Teilen der eigenen Persönlichkeit wieder zu begegnen, welche unbewusst im Verborgenen immer noch selbst auf Distanz gehalten werden. Durch diese Distanz entsteht eine Spannung zwischen dem realen Hier und Jetzt (relativ sicher) und der eigenen Vergangenheit als Jugendlicher, Kind oder Embryo (relativ unsicher). Je größer diese innere Distanz bzw. Spannung ausfällt, desto eindringlicher und fordernder zeigen sich Resonanzen in Gestalt von Situationen, Menschen, Krisen oder Symptomen. Es scheint, als besteht ihre Funktion darin uns als Seelenspiegel wieder in liebevollen Kontakt mit diesen distanzierten inneren Anteilen zu bringen, denn sie gehören für immer zu uns und machen uns zu dem was wir sind. Kräftezehrend und leidvoll wird es erst, wenn wir diese Funktion nicht wahrnehmen können oder wollen. Dann kämpfen wir uns weiter an diesem Spiegel ab und der Markt für Konflikt- und Selbstmanagement wird nicht müde neue Techniken und Methoden dafür zur Verfügung zu stellen. Wir alle haben auf die ein oder andere Weise versucht, unsere Themen so in den Griff zu bekommen und waren meist befristet erfolgreich damit. Daran ist nichts verkehrt, denn unser jugendlich denkendes Ich-Bewusstsein muss das so tun. Doch spätestens in der Mitte des Lebens (wann immer diese auch genau ist) ist es wieder da und Kontrollversuche werden immer anstrengender und komplexer. Bald haben wir keine Idee mehr, was wir noch tun können. Wir fühlen uns den Umständen ausgeliefert und zunehmend kraft- und hilflos in Bezug auf unser (Er-)Leben.
An diesem Punkt wartet eine große Chance für Erkenntnis, Entwicklung und Entspannung. Es entsteht eine echte Bereitschaft, den Blick von den äußeren Erscheinungen oder Symptomen nach innen zur Quelle dieser Resonanz, dieses Echos*, zu richten. Wir können lernen diese Spannungen in uns selbst zu sehen, zu würdigen und uns selbst immer mehr sein zu lassen, wie wir sind und das Leben sein zu lassen, wie es eben ist. So finden wir mehr Vertrauen, wahres Selbstbewusstsein und Offenheit für den gegenwärtigen Moment. Der Lebens-Integrations-Prozess (LIP) nach Nelles ist dahingehend ein großes Geschenk.